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Aktuelles und
Wissenswertes

In unserer Interview-Reihe „12 Fragen an…“ haben wir unseren Schulbauernhof-Koordinator Daniel Backhaus besucht und ihn direkt mit Fragen zu seiner Arbeit gelöchert. Lass dir das interessante Interview nicht entgehen und erhalte Einblicke in die alternative Lernumgebung des Schulbauernhofs in Gangelt-Birgden.

Unser Schulbauernhof in Gangelt-Birgden ist ein Kooperationsprojekt des Jugendamtes Kreis Heinsberg, der Janusz-Korczak-Schule Heinsberg und dem Integrationswerk. Dieses erlebnispädagogische Konzept zielt drauf ab, die Reintegration von zeitweise nicht mehr im regulären Klassenverband beschulbaren Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe zu fördern. Die an unserem Schulbauernhof teilnehmenden Kinder und Jugendlichen sollen einen Lebensraum vorfinden, der ihnen die Möglichkeit gibt, ihren emotionalen Entwicklungsbedarf zu bearbeiten. Es werden maximal acht junge Menschen gleichzeitig auf dem Bauernhof gefördert und beschult.

Lieber Daniel, wie bist du zum Integrationswerk gekommen?

Seit 2022 bin ich Teil des IWERKs. Mein Weg hierher war abwechslungsreich: Zunächst habe ich eine Schreinerlehre absolviert, anschließend eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger gemacht, meinen Zivildienst bei der Lebenshilfe geleistet und schließlich berufsbegleitend Soziale Arbeit studiert.

Das Konzept des Schulbauernhofs hat mich von Anfang an begeistert und mich dazu motiviert, mich auf die Stelle zu bewerben. Einen besseren Arbeitsplatz könnte ich mir kaum vorstellen. Die Arbeit mit den Kindern und Tieren erfüllt mich sehr.

Was gehört zu deinen Aufgaben auf dem Schulbauernhof?

Mein Aufgabengebiet ist vielseitig. Zum Einen vermittle ich den jungen Menschen viel handwerkliches Wissen und setze mit ihnen kreative Projekte um. Dazu zählen beispielsweise ein Bienenhotel zu erstellen oder ein Hochbeet zu schreinern und zum Gärtnern zu verwenden. Je nach Jahreszeit bieten sich viele Möglichkeiten für Projekte in der Natur oder in unserem Haus. Zum Anderen kümmere ich mich aber auch um organisatorische Aufgaben. Das Klassenbuch schreiben, Förderpläne und Ziele für die Schüler*innen entwickeln oder Praktikumsplätze vermitteln.

Gerade wenn wir merken, dass Kids Interesse an einer bestimmten Aufgabe haben, versuchen wir ihnen einen Einblick in ein Unternehmen zu ermöglichen. Wir motivieren sie und geben ihnen eine Perspektive: „Schau dir den Bereich doch einmal in einem Betrieb genauer an“.

Ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit ist die Elternarbeit sowie die Unterstützung in Krisensituationen. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten kann die Entwicklung der Kinder gezielt begleitet, unterstützt und gefördert werden.

Was macht unser Bauernhof-Konzept besonders?

Die Arbeit in Gruppen und der Umgang mit Tieren sowie landwirtschaftlichen Aufgaben fördern Teamarbeit, Verantwortung und Empathie. Die Beschulung findet in einer besonderen, landschaftlich idyllischen Umgebung statt. Unter der Woche gilt es verschiedenste Tiere wie Hühner, Ziegen, Hunde, Hasen, Schweine, Vögel und Schildkröten zu betreuen und zu versorgen.

Der Tierdienst kann eine unterstützende Rolle bei der Überwindung von Ängsten, bei der Verbesserung von emotionalen und kognitiven Fähigkeiten sowie bei der Motivation und Engagement für den Lernprozess eine Rolle spielen. Neben der Pflichten bieten die Tiere einen Ort für Rückzug und Entspannung. Beim Küchendienst lernen die Kids den Umgang mit Lebensmitteln, mit Geld beim Einkaufen, das Vorbereiten und Kochen von Gerichten sowie den ganzen Prozess von geregelten, gemeinsamen Essenszeiten und dem Aufräumen hinterher.

Die verschiedenen Unterrichts- und Lernumgebungen können das Interesse an der Landwirtschaft, Kunst, Musik sowie des Handwerks wecken und eine Basis für die berufliche Orientierung sein. Dabei hat unser Team stets die Lernziele der einzelnen Schülerinnen und Schüler im Blick sowie das Ziel, sie wieder in den regulären Schulunterricht zu integrieren.

Was bietet der Innenbereich den Kindern zum Lernen und Spielen?

Wir haben einen Musik- und Kunstraum zum Kreativ sein.  Im Spieleraum befinden sich allerhand Gesellschaftsspiele & Co., aber auch Dart und Kicker können gespielt werden. Mit unseren Mountainbikes dürfen sich die Kinder auch auf dem Pumptrack austoben. Es gibt viele verschiedene Angebote für ihre Interessen.

Wer gehört alles zum Schulbauernhof-Team?

Lena Rüttgers ist meine Kollegin, die sich als gelernte Tierpflegerin mit viel Herz um alle tierischen Mitbewohner des Schulbauernhofs kümmert und den Kids Wissen im Umgang mit Tieren vermittelt. An den Wochenenden und Feiertags versorgt unser Tierpflegeassistent Max Schramm die Tiere mit viel Fürsorge.
Niki Hoffmann, unsere Sonderpädagogin von der Janusz-Korczak-Schule, begleitet die Kinder in den schulischen Einheiten und unterstützt sie als Lehrerin individuell. Ab Oktober dürfen wir uns auf Verstärkung freuen: Simone Wagner wird unser Team ergänzen und Lena sowie Max bei der Tierpflege tatkräftig zur Seite stehen.

Wie kann ich mir einen Tag auf dem Schulbauernhof vorstellen?

Ein Tag auf dem Schulbauernhof orientiert sich an den Bedürfnissen und Lernzielen der Kinder. Statt einer großen Klasse betreuen wir maximal acht Kinder gleichzeitig, um individuell auf jedes Kind eingehen zu können.

Morgens wählen die Kinder selbst, ob sie den Küchendienst oder den Tierdienst übernehmen möchten. Dabei schauen wir gemeinsam mit unserer Sonderpädagogin Niki, ob ein Kind zunächst mit dem Dienst beginnt oder erst mit dem Unterricht. Manche Kinder arbeiten den ganzen Tag nach ihrem Wochenplan, andere lernen 30–60 Minuten und wechseln dann in den Dienst. Auch die Reihenfolge kann flexibel sein: Erst Unterricht, dann Hofdienst, oder umgekehrt – je nachdem, was für das Kind am besten passt. So vermeiden wir Konflikte, fördern ein angenehmes Miteinander sowie individuelles Lernen.

Zu Beginn werden die Hoftiere gefüttert, ihre Ställe gesäubert und gepflegt. Alle Aufgaben haben einen klaren Ablauf, der mit Bildern und Text sichtbar ist, sodass die Kinder Sicherheit und Struktur haben. Während der Dienste begleitet stets ein Pädagoge die Kinder, beantwortet Fragen und vermittelt Wissen.

An kurzen Tagen (bis ca. 11 Uhr) frühstücken wir alle gemeinsam. Dieses wird vom Küchendienst vorher zubereitet. Die Kids erledigen die Einkäufe beim Bäcker oder Supermarkt direkt gegenüber. Produkte aus dem Garten, die wir selbst anbauen, werden natürlich bevorzugt. Damit lernen die Kinder den Kreislauf vom Anbau über die Ernte bis zum Verzehr oder der Verwertung kennen: „Wo kommt das Gemüse und Obst her?“. Wir versuchen nur das zu kaufen, was wir selbst nicht anbauen oder produzieren können.

An den langen Tagen können die Kids, unter Anleitung eines Pädagogen, ein gemeinsames Mittagessen vorbereiten. Dabei lassen sie sich gerne kreative Rezepte einfallen und lernen diese mit uns zu kochen.

Erhaltet ihr vorab Informationen über neue Schulbauernhof-Kids und ihre Bedürfnisse?

Ja, im Vorfeld finden Gespräche und Überlegungen mit der Janusz-Korczak-Schule statt. Von der Schulleitung erhalten wir einen Einblick darüber, welchen Förderbedarf die Kinder haben und wo wir mit dem Schulbauernhof-Konzept ansetzen können.

Mir ist wichtig, dass das Aufnahmegespräch für den Schulbauernhof auf dem Schulbauernhof stattfindet, um den Erziehungsberechtigten sowie dem Kind die Gegebenheiten und Abläufe hier zu erklären: Was passiert hier? Wie wird gearbeitet? Was braucht es, um wieder zu Schule gehen zu können? Wozu dient ein persönlicher Reflektionsplan? Was sind Situationen die das Kind besonders triggern? etc..

Wir schildern den Schülerinnen und Schülern auch nochmal unsere Ziele und Verhaltensregeln für ein harmonisches Miteinander. Diese hängen unten im Essensraum aus. Zudem hat jede Schülerin oder jeder Schüler sein individuelles Ziel an dem er oder sie in der Zeit auf dem Schulbauernhof arbeitet. Das wird täglich mit uns Pädagogen zusammen reflektiert.
Eine Regel, die für alle gilt: Ich verhalte mich respektvoll meinen Mitmenschen gegenüber.

Unser höchstes Ziel ist es, die jungen Menschen wieder zurück in den Klassenverband integrieren zu können. Wie lange die Kinder bei uns sind, ist ganz individuell.

Sind es die Ziele oder eher die kleinen Momente, die euch Pädagogen und Schülern Bestätigung geben?

Es muss nicht immer das große Ziel sein, das sie erreichen. Auch schon kleine Teilschritte in die richtige Richtung sind von großem Wert für alle. Zum Beispiel, wenn sie es schaffen, sich an den Tagesplan bzw. die Struktur zu halten. Oder wir gemeinsam eine Tätigkeit ausführen, wie aktuell eine Futterküche zu bauen und sie dabei engagiert mithelfen.
Manche Kinder haben noch nie eine Rigipswand gesetzt oder einen Fliesenspiegel geklebt. Wenn man ihnen zeigt, wie es geht und sie selbst einen Fortschritt mit den eigenen Händen erschaffen, wollen sie gar nicht aufhören.

Oft kommen die Kinder dann zu mir und fragen: „Herr Backhaus, dürfen wir noch weiter an der Futterküche arbeiten?“ Für mich ist das ein wunderbares Zeichen. Sie haben Freude, wollen mehr lernen, und genau diese Motivation erfüllt mein Herz.

Kannst du nach der Arbeit gut abschalten oder brauchst du einen Ausgleich?

Manchmal brauche ich einen Ausgleich, denn man reflektiert sich als Pädagoge regelmäßig. Gerade wenn Spannungssituationen mit einem Schüler oder zwischen den Schülern entstanden sind, überlegt man, mit welchen Maßnahmen wir den Auslöser bearbeiten und eine positive Verbesserung bewirken können.

Mein Ausgleich ist es in der Freizeit Laufen zu gehen. Ich mache gerne Sport und bin gerne draußen. Damit kann ich gut abschalten. P.S.: Wenn meine eigenen Kids mich nicht auf Trapp halten.

Was glaubst du, wie die Kinder durch die alternative Lernumgebung profitieren?

Die Kinder profitieren auf jeden Fall von den individuellen pädagogischen Möglichkeiten und Angeboten, die wir hier auf dem Schulbauernhof anbieten und ausschöpfen können.
Dadurch, dass sie nicht mehr in einem so großen Klassenverband sind und auch viel Zeit an der frischen Luft verbringen, sich hier frei entfalten und auch einbringen können, werden ihre individuellen Fähigkeiten gefördert.

Auch in Gruppen- und Gemeinschaftssituationen, wie beim gemeinsamen Mittagessen oder in der Freizeit, lernen die Kinder viel. Besonders in der Kleingruppe entwickeln sie ihre sozialen Kompetenzen weiter. Sie erfahren, wie man sich angemessen in einer Gruppe verhält, was sie von anderen erwarten können und wie sie sich selbst einbringen. Zum Beispiel lernen sie, nicht ständig dazwischenzureden und ihrem Gesprächspartner zuzuhören.

Spannend zu sehen ist auch, dass die Schülerinnen und Schüler besonders bei Projekten eine unheimliche Konzentration und Kreativität entwickeln. Dann können sie plötzlich zwei Stunden ruhig sitzen, was sie sonst maximal 10 Minuten schaffen. Hier finden die Kinder im Vergleich zur Schulklasse eine reizärmere Umgebung vor und lassen sich nicht so schnell ablenken.

Außerdem sind auch die erlebnispädagogischen Aktivitäten, die wir hier anbieten, für junge Menschen wertvoll.
Diesen Sommer haben wir uns z.B. Kajaks ausgeliehen und sind gemeinsam über Seen und Flüsse gefahren. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass alle Kinder schwimmen können. Oder wir leihen uns Mountainbikes und fahren mit den Kids durch die Wälder – im Winter geht’s dann z.B. zur Skihalle.

Könnt ihr frei entscheiden, welche erlebnispädagogischen Angebote ihr umsetzt?

Wir stimmen uns im Vorfeld mit allen Instanzen entsprechend ab, lieben aber die kurzen Wege im IWERK. Besonders schön ist jedoch, dass wir dabei so viel Freiheit haben, kreative Erlebnisse zu gestalten. Stets flexibel auf die Interessen der Kinder zugeschnitten, die wir gerade betreuen.

Durch die erlebnispädagogischen Ausflüge sammeln die Kids Erfahrungen, die ihr Selbstwertgefühl stärken. Sie spüren, wie viel sie geschafft haben. Zum Beispiel, wenn sie beim Kanufahren drei Stromschnellen sicher gemeistert haben, ohne mit dem Kanu umzukippen. Solche Erlebnisse sind echte Highlights und spielen eine wichtige Rolle für ihre Entwicklung.

Was bereitet dir besonders Freude an der Arbeit mit Kindern?

Ich habe Freude daran den jungen Menschen etwas mitzugeben, Wissen zu vermitteln in den Tätigkeitsfeldern, in denen ich sie begleite. Aber besonders auch in Konfliktsituationen zu zeigen: „Du musst jetzt nicht schreien, um eine Situation zu lösen. Das geht auch ruhig. Indem man sich zusammen hinsetzt und in Ruhe spricht.“ Ich versuche einfach ein gutes Vorbild zu sein, damit die Kids sehen, dass sich Konflikte auch auf sanfte Weise lösen lassen. Anders als sie es vielleicht zuvor kennengelernt haben.

Es bereichert aber auch zu sehen, wie unsere Arbeit auf dem Schulbauernhof bei den Kindern Früchte trägt. Dass sie sich sozial, emotional und lerntechnisch positiv weiterentwickeln, Selbstsicherheit dazugewinnen und anschließend wieder in den Schulunterricht reintegriert werden können – das ist ein einmalig-schönes Gefühl.


Vielen Dank, lieber Daniel, für diesen schönen Einblick in deine Arbeit und die des gesamten Schulbauernhof-Teams. Wir sind stolz, dass ihr euch so engagiert für Kids einsetzt, denen das Lernen im regulären Schulsetting schwer fällt. Ihr gebt ihnen Motivation für ihre positive, persönliche Entwicklung.

Entdecke demnächst noch mehr spannende Momente hinter den Kulissen der IWERKfamilie.